Die Geschichte habe ich mal für einen Wettbewerb geschrieben. Ich hoffe sie gefällt euch:
Piraten
Wie viele Tage vorher saß Jena am Hafen und sah auf das Meer. Die Arbeiter kümmerten sich schon nicht mehr um sie, sie waren es schon gewohnt. Jenas lange, rot-braune Haare flatterten im Wind und ihre großen, grünen Augen sahen wie gebannt auf den Horizont. Immer in der Hoffnung, dass endlich das Schiff auftauchte. Ihr Vater hatte es ihr versprochen. Eine kleine Träne floss die kindliche Wange herunter. Er hatte es ihr doch versprochen.
„Na Kleine, denkst du immer noch, dass sie zurück kommen?“
Jena zuckte zusammen und drehte sich um. Einer der Männer, die immer die Kisten schleppten und sie von Anfang an verspottet hatte stand hinter ihr.
„Glaube uns doch endlich, sie werden nicht mehr wieder kommen. Sie sind gemeines Piratenpack und wahrscheinlich längst am Galgen. Dort, wo sie hin gehören.“
Jena hätte am liebsten geschrien vor Wut. Stattdessen sah sie ihn einfach nur schweigend weiter an.
„Hat es dir die Sprache verschlagen?“
Jena antwortete nicht.
„Verdammt noch mal Mädchen. Antworte, wenn man dich etwas fragt!“ anscheinend schien er nicht damit umgehen zu können. Jena legte sich ihre Worte ruhig zurecht, bevor sie mit dem Sprechen begann: „Ihr habt den Galgen alle 1000Mal mehr verdient als die ganze Mannschaft zusammen.“
Dann stand sie auf und ließ den wütenden, Mann wortlos zurück. Als sie außer Sichtweite war fing sie an zu laufen. Ihre Augen wurden feucht und sie konnte kaum noch etwas sehen. Als sie endlich bei der Kneipe ankam waren ihre Augen schon ganz rot. Vor der Tür blieb sie noch ein Mal kurz stehen und wischte sich die Augen ab. Dann trat sie, wieder einigermaßen gefasst durch die Tür. Stickige, nach Alkohol stinkende Luftschlug ihr entgegen. Geschickt bahnte Jena sich einen Weg durch die Menschenmenge zum Kücheneingang, vor dem Melli schon auf sie wartete. Melli war die schlecht gelaunte, drahtige angestellte von Mutter Tana.
„Los, beeile dich und wische dir das Gesicht ab. Du siehst ja völlig verdreckt aus!“, empfing sie sie mürrisch. Jena nickte nur leicht und Ging in die Küche, um sich ihre Schürze zu hohlen. Dort stand Mutter Tana und überwachte die Köche. Sie war eine rundliche, nette Frau, die von allen liebevoll Mutter Tana genannt wurde. Sie empfing Jena mit offenen Armen.
„Hast du dich wieder mal beim Hafen herum getrieben? Du weißt doch, dass du dort nicht alleine hin sollst. Die dreckigen Männer wissen ja nicht ein Mal, was Manieren sind. Na komm schon, du kannst Mutter Tana doch alles erzählen.“
„Nein, ist schon in Ordnung.“ Jena wollte mit niemandem über ihre Gefühle reden. Schnell holte sie sich eine Schürze und ging wieder in den Hauptraum. Nicht ganz geistesgegenwärtig nahm sie die Bestellungen auf und gab sie an Melli weiter.
Irgendwann spät in der Nacht ging sie schließlich ins Bett. Oder sie legte sich viel mehr auf die alte, halb zerrissene Matratze, die Mutter Tana für sie übrig gehabt hatte.
Im Traum saß sie am Hafen und ein Schiff kam auf sie zu. Es war groß und viele Männer liefen eifrig darauf herum. Einer von ihnen stand ganz vorne und sah zu ihr herüber.
„Vater! Du bist wieder da! Vater!“, murmelte Jena leise. Und da waren auch all die anderen. Lonto, Peter, Tom und und und...
Plötzlich zogen Nebel vor das Schiff und nahmen Jena die Sicht. Was war hier los, wo war das Schiff hin und wieso stand sie plötzlich? Ihre Füße wurde nass und langsam kroch die Nässe an ihren Beinen hoch. Nein ich ertrinke! Jena bekam keine Luft mehr, Wasser spritzte ihr ins Gesicht. Plötzlich schlug sie die Augen auf und sah Melli vor sich. Sie hatte einen Schlafanzug an und einen Eimer in der Hand. Die Matratze war ganz Nass.
„Wirst du wohl endlich Ruhe geben! Ich kann nicht schlafen!“
Jena seufzte auf und lies sich zurück auf die Matratze fallen. Doch sie konnte nicht mehr einschlafen. Es klappte einfach nicht. Immer, wenn sie die Augen schloss sah sie nur wieder den Nebel vor sich und spürte das Wasser um sich herum. Schließlich stand sie leise auf, zog sich ihre Jacke über und ging raus auf die Straße. Obwohl es Sommer war war es ganz schön kalt draußen und sie fröstelte. Ganz automatisch schlugen ihre Füße den Weg zum Hafen ein. Erst als sie dort war hob sie den Blick. Es war komisch hier. Alles war so still und niemand hastete gehetzt herum Jena setzte sich auf ihren gewohnten Platz und ließ die Beine schaukeln. Langsam fielen ihr die Augen zu.
Als sie die Augen wieder öffnete glaubte sie, sie würde träumen. Ein leichter Nebel lag über dem Meer. In einiger Entfernung konnte man die Sonne aufgehen sehen. Und dort, dort hinten am Horizont sah man ein Schiff. Das Schiff, das Jena unter 1000000Schiffen heraus erkannt hätte. Langsam km es immer näher Und jetzt konnte man schon die rote Schrift am Bug lesen: Die Nocturna
Sie hatte es gewusst. Er war wieder da! Jena sprang auf. Sie wollte dem Schiff entgegen schwimmen, konnte sich aber gerade noch beherrschen. Wie in ihrem Traum liefen die Männer kreuz und quer übers Deck. Endlich, nach einer Weile, die Jena wie eine Ewigkeit vor kam, legte das Schiff an und nach einander kamen sie alle an Land. Da waren Lonto, Peter, Tom und wie sie alle hießen. Nur einen konnte Jena nicht entdecken. Wo war ihr Vater? Aufgeregt lief sie auf Tom zu, doch bevor sie etwas sagen konnte nahm er sie in seine kräftigen arme und wirbelte sie ein paar Mal herum. Als er sie wieder absetzte brach es wie ein Wasserfall aus Jena heraus: „Wo ist Papa? Ich habe ihn nicht gesehen. Geht es ihm gut? Was ist passiert?“
Auf ein Mal wurden alle Still. Und dann trat Lonto, der Kaptain aus der Mannschaft hervor, nahm seine Mütze vom Kopf und beugte sich zu ihr herunter.
„Er, er ist gegangen, für immer. Tut uns Leid Kleine. Wir wollten ihn abhalten, aber er ist für uns alle untergegangen. Möge seine Seele im Meer der ewigen Ruhe wohl behütet sein.“
Jena schluckte. Er war tot? Ihr Vater war tot? Aber er hatte es ihr doch versprochen. Er hatte ihr versprochen zurück zu kommen. Sie starrte in die Luft und nahm nur leicht aus den Augenwinkeln wahr, dass Lonto etwas auf das Holz legte und sich dann alle Piraten andächtig zurück zogen. Als sie weg waren drehte Jena sich wie in Trance um und sah nach, was es war. Ihre Augen waren so trocken, dass es ihr unmöglich gewesen wäre zu weinen. Sie hob das Ding auf, das dort auf dem Boden lag. Es war ein kleines Medallion. Sie öffnete es und ein sehr klein zusammengeknüllter Zettel fiel heraus. In dem Medallion war ein Bild ihres Vaters mit ihrer Mutter im Arm. Er hatte es früher immer getragen. Jena kannte dieses Bild in und auswendig. Da wurden ihre Augen endlich feucht und Tränen über Tränen rollten ihr über die Wange. Sie schluchzte hemmungslos und zusammen gekrümmt auf dem Boden. Als sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte hob sie den kleinen Zettel auf und faltete ihn auseinander. Die Schrift war sehr klein und zittrig und Jenas Augen waren immer noch sehr feucht, sodass es lange dauerte, bis sie ihn endlich zu Ende gelesen hatte. Während sie las ertönte plötzlich die Stimme ihres Vaters in ihrem Kopf: „Liebe Jena, ich werde längst tot sein, wenn du dies hier liest. Ich gebe dir das Medallion, damit es dir Glück bringt und dich vor Unheil beschützt. Gebe nicht meinen Kameraden die Schuld an meinem Tod. Sie können wirklich nichts dafür. Du musst jetzt wirklich tapfer sein. Und ich weiß, dass du es schaffst, denn in deinem Herzen bist du ine Piratin, wie ich. Darum lese dies gut durch...“
~
Am nächsten Morgen schon stach „die Nocturna“ wieder in See. Lonto hatte es abgelehnt Jena in seine Mannschaft aufzunehmen. Sie wollen keine Frauen an Bord haben hatte er gesagt. Doch Jena war eine Piratin und würde auch immer eine bleiben. Das wusste sie jetzt. Ein kleiner Zettel lag auf ihrer Matratze. Mutter Tana würde, wenn sie ihn fand die Hände über dem Kopf zusammen schlagen und anfangen zu weinen. Doch das war es Jena wert. Dann würde sie eh schon weit draußen auf dem Meer sein. Während das Schiff ablegte saß sie zusammen gequetscht im Laderaum und das Medallion glitt ihr durch die Finger. In einem plötzlichen Entschluss öffnete sie das Kettchen und legte es sich um den Hals. Ihr Vater würde stolz auf sie sein. Und wenn die Piraten sie fanden würden sie nicht mehr Jena gegenüber stehen, sondern einem Piraten. Einem echten Piraten.